In einem Online Artikel mit Springer Professional schildert Gabriela Jaecker über die Personalsuche in Zeiten des Fachkräftemangels
Moderne Personalabteilungen arbeiten nicht mehr mit Excel-Dokumentationen und betreiben Active Sourcing, statt auf Bewerbungen zu warten. Ein Interview über die Personalsuche in Zeiten des Fachkräftemangels mit Expertin Gabriele Jaecker.
springerprofessional.de: Die meisten Unternehmen suchen nach wie vor neue Mitarbeiter via Stellenanzeigen in Internetbörsen, zeigt eine Studie der Jobbörse Monster. Wie zeitgemäß, erfolgreich und treffsicher ist diese Art von Recruiting heutzutage noch?
Gabriela Jaecker: Jobbörsen sind immer noch ein wichtiger Kanal für Arbeitgeber und aktiv suchende Kandidaten. Je attraktiver die Position, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitgeber qualifizierte Bewerbungen erhält, die zur Position passen. Aufgrund der niedrigen Arbeitslosenzahl und des Fachkräftemangels reicht es jedoch nicht mehr aus, nur Anzeigen zu schalten und darauf zu warten, dass sich Kandidaten bewerben. Der Anteil der tatsächlich aktiv nach Jobs suchenden Kandidaten liegt bei etwa 20 Prozent. Die restlichen 80 Prozent sind passive Kandidaten. Diese sind zwar offen für interessante Jobangebote, jedoch nicht aktiv auf der Suche und demnach über klassische Stellenanzeigen auf Jobbörsen nicht zu erreichen.
Ein anderes Problem sind nicht für Bewerber optimierte Karrierewebsites oder Stellenanzeigen, die über Google for Jobs nicht gefunden werden. Fehlt Online-Marketing-Know-how in den HR-Abteilungen und wie kann dieses Know-how aufgebaut werden?
Modernes Recruiting hat nur noch wenig mit der Personalsuche vor zehn Jahren zu tun. Ohne innovative Software, IT-Unterstützung und Verständnis von Online-Marketing wird es heute für Arbeitgeber schwer, Vakanzen schnell und effektiv zu besetzen. Sicherlich kann das Know-how intern aufgebaut werden. Unternehmen sollten jedoch abwägen, ob es nicht effizienter und kostengünstiger ist, Recruiting-Dienstleistungen einzukaufen. Es gibt am Markt zahlreiche, bezahlbare Anbieter von Bewerbermanagementsystemen, die Arbeitgeber mit webbasierten Lösungen helfen, ihr Recruiting erfolgreicher zu machen und Fehlbesetzungen zu minimieren.
Welche weiteren Wege im Recruiting sollten Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels prüfen?
Ich empfehle Active Sourcing, also die Direktansprache von Kandidaten über Business-Netzwerke wie Xing und Linkedin, Social Recruiting über soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram sowie Mitarbeiterempfehlungsprogramme. So erreichen Unternehmen auch Kandidaten, die nicht aktiv auf Jobsuche sind. In der Zeit des Fachkräftemangels ist es für viele Unternehmen auch attraktiv, nach Fachkräften im Ausland zu suchen. Dafür sind internationale Jobbörsen hilfreich. Diese Option wird noch viel zu wenig genutzt. Stellenanzeigen können zusätzlich mit Online-Assessments gepaart werden, etwa mit einem vorgeschalteten Fragebogen oder Eignungstest zur Klärung der grundsätzlichen Passung. Zeitversetzte Videointerviews sind empfehlenswert, um die Sprachkenntnisse von Bewerbern zu überprüfen. Mit Hilfe dieser Methoden kann eine schnelle und effiziente Vorauswahl qualifizierter Kandidaten getroffen werden, Fehlbesetzungen werden minimiert und Reisekosten bleiben für Unternehmen überschaubar.
HR-Abteilungen stecken in manuellen, administrativen Aufgaben fest. Dadurch sind Bewerbungsprozesse oft langwierig und Kandidaten entscheiden sich daher für andere Arbeitgeber. Welche HR-Prozesse lassen sich kostengünstig automatisieren?
Geschwindigkeit ist neben Effizienz einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches Recruiting. Viele Bereiche im Recruitingprozess lassen sich heute automatisieren. Angefangen bei der Erstellung von Stellenprofilen und der Aktivierung von verschiedenen Recrutingkanälen, über die Unterstützung bei der Vorauswahl von Kandidaten bis hin zur internen und externen Kommunikation mit den Kandidaten, wie etwa Eingangsbestätigung, Interview-Einladung oder Absagen.
Welchen Kardinalfehler sollten Unternehmen im Recruiting unbedingt vermeiden?
Um effizient und erfolgreich zu rekrutieren, sollten Unternehmen ihr Bewerbermanagement keinesfalls auf Basis von Excel-Dokumentationen durchführen. Ich empfehle allen Unternehmen ein modernes Bewerbermanagementsystem zu nutzen. Damit hat man nicht nur alle Kandidatenprofile im Blick, sondern direkten Zugriff auf Lebensläufe und Assessment-Ergebnisse. Aus solchen Tools heraus kann man auch ganz einfach mit den Kandidaten kommunizieren oder Einladungen und Absagen versenden.
Auch eine negative Candidate Experience sollte vermieden werden. Bei komplizierten Bewerbungsformularen brechen Kandidaten den Bewerbungsprozess ab. Muss ein Bewerber wochen- oder monatelang auf Feedback warten, führt das zu Frustration und einem schlechten Ruf des Unternehmens. Es ist wichtig, eine außergewöhnliche Candidate Experience zu schaffen – vom Screening der Bewerbung über das Vorstellungsgespräch bis hin zur Einstellung und dem Onboarding. Das bringt Unternehmen motivierte neue Mitarbeiter und positive Bewerberrückmeldungen.
Um den Recruitingprozess und die Candidate Experience kontinuierlich zu verbessern, sollten Unternehmen sich bewusst machen, dass Kennzahlen und Daten enorm wichtig sind. Damit können Unternehmen ermitteln, wie lange es von der Stellenausschreibung bis zur Besetzung der offenen Vakanz dauert und welche Kosten pro Besetzung im Durchschnitt anfallen.