„Führung muss wirksam sein. Alles andere ist ein Versuch.“

Thomas Belker Portrait

Hans-Uwe Jaeger im Gespräch mit Thomas Belker, Private Entrepreneur, Trainer und Coach.

Herr Belker, wo sehen Sie die größten Herausforderungen auf der Führungsebene in den nächsten Jahren und was können Unternehmen dazu beitragen?

Thomas Belker: Die größten Herausforderungen liegen darin, die richtigen Mitarbeiter zu finden. Gibt es keine geeigneten Kandidaten oder erkennen wir sie einfach nicht? Welche Auswahlkriterien sind für eine Führungskraft wirklich relevant? Sind Zeugnisse ausreichend oder benötigen wir andere Auswahlverfahren, um Eigenschaften wie Resilienz, Kreativität und Führungsqualitäten zu identifizieren?

Wenn wir uns nur auf Mitarbeiter mit perfekten Lebensläufen konzentrieren, werden wir den Fach- und Führungskräftemangel nicht bewältigen. Stattdessen sollten wir so offen wie möglich bleiben, beispielsweise auch für Studienabbrecher. Insgesamt werden wir mehr Ressourcen für geeignete Weiterbildungen mit Blick auf die Anforderungen des Unternehmens aufwenden müssen.

Darüber hinaus gewinnen Modelle wie Jobsharing und Teilzeitarbeit auch in Führungspositionen an Bedeutung. Obwohl die älteren Generationen hier möglicherweise Vorbehalte haben, sind solche Modelle stärker zu nutzen, um potenzielle Mitarbeiter nicht von vornherein auszuschließen. Letztendlich geht es weniger um formale Kriterien als vielmehr um die Effektivität in den jeweiligen Funktionen.

Welche Kompetenzen werden Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren insbesondere für Geschäftsführer in mittelständischen (Handels-)Unternehmen immer wichtiger werden?

Meiner Meinung nach werden für Geschäftsführer in mittelständischen (Handels-)Unternehmen vor allem Schnittstellenkompetenz und digitale Kompetenz immer wichtiger.

Schnittstellenkompetenz bedeutet für mich, nicht nur oberflächlich zwischen den Abteilungen zusammenzuarbeiten, sondern ein tiefes, ganzheitliches Verständnis zu entwickeln. Welche Prozesse und Projekte bringen das Unternehmen als Ganzes voran? Das erfordert ein wirkliches Interesse an den Schnittstellen der bereichsübergreifenden Prozesse und die Bereitschaft, sich intensiv damit auseinanderzusetzen. Nur so können Führungskräfte Verantwortungsbereiche ganzheitlich neu denken und sich an veränderte Realitäten anpassen. Insbesondere im Mittelstand und auf dem Land wird es zunehmend zur Herausforderung, die jeweiligen Aufgaben an die verfügbaren Kandidaten anzupassen.

Darüber hinaus ist digitale Kompetenz entscheidend. Geschäftsführer sollten verstehen, was heute technologisch möglich ist und welche Auswirkungen dies auf sie und ihr Unternehmen hat. Kann sich ein Geschäftsführer heute erlauben, sich nicht intensiv mit Künstlicher Intelligenz auseinanderzusetzen?

Zusätzlich benötigen Geschäftsführer ein offenes Mindset, das geprägt ist von der Akzeptanz der Menschen, wie sie sind, und dem Fokus auf ihre Stärken. Es geht darum, das Potenzial der Mitarbeiter zu erkennen und den Mehrwert von Personen zu sehen, die auf den ersten Blick nicht perfekt passen.

Inwiefern unterscheidet sich aus Ihrer Sicht die Führung in mittelständischen Unternehmen von großen Konzernen?

Aus meiner Sicht unterscheidet sich die Führung in mittelständischen Unternehmen von großen Konzernen vor allem durch die Übersichtlichkeit. Inhabergeführte mittelständische Unternehmen sind in der Regel überschaubarer als Konzerne. Führung ist transparenter. Es gibt sofortiges Feedback.

Auch sind Person und Funktion im Mittelstand enger miteinander verbunden. Es geht nicht um „die Geschäftsleitung“, sondern konkret um Herrn oder Frau „Mustermann“. Dadurch ist die Arbeitsweise im Mittelstand tendenziell flexibler, agiler und vor allem unmittelbarer. Die Leistung der Führungskräfte und ihre Wirksamkeit werden sofort sichtbar. Themen wie Authentizität und das gemeinsame „Schwitzen“ mit den Kollegen spielen eine entscheidende Rolle.

Daher sind breite fachliche Kompetenzen, das bereits erwähnte Schnittstellenverständnis und eine direkte Kommunikation im Mittelstand von großer Bedeutung.

Stichworte wie „Remote Work“ und „Home-Office“ sind auch aktuell wieder in der Diskussion und viele große Unternehmen fordern wieder mehr Präsenz vor Ort. Welche Sicht haben Sie auf diese Settings bei Geschäftsführern in mittelständischen Strukturen?

In Bezug auf „Remote Work“ und „Home-Office” ist Flexibilität zu ermöglichen, wann immer sie benötigt wird. Einerseits geht es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, auch für Geschäftsführer. Andererseits geht es um die unmittelbare Führung, das persönliche Miteinander im Unternehmen und die langfristige Bindung der Mitarbeiter.

Es gibt Geschäftsführer von “außerhalb”, die immer montags und freitags remote arbeiten wollen. Hier kann eine negative Symbolwirkung bei den Mitarbeitern vor Ort entstehen. Sitzen alle im selben Boot oder nicht?  Führt die Handhabung an den drei “Präsenztagen” der Geschäftsführer zu übermäßigen Anforderungen an die Arbeitszeit der Mitarbeiter?

Daher geht es um wirkungsvolle Kompromisse, gelebte Flexibilität und eine intensive Zusammenarbeit, damit die Identifikation aller Beteiligten mit dem Unternehmen nicht beeinträchtigt wird. Starre Vorgehensweisen sind meiner Meinung nach nicht zielführend. Stattdessen braucht es klare Regeln mit angemessener Rücksicht auf alle Beteiligten.

Stichwort Vertragsbedingungen: Welche Kriterien sollten aus Ihrer Erfahrung bei der Festlegung der variablen Vergütung von Geschäftsführern berücksichtigt werden? Und wie sehen Sie auf die in der Praxis übliche Befristung von Geschäftsführerverträgen?

Bei Festlegung der variablen Vergütung sind verschiedene Kriterien zu berücksichtigen. Grundlegend braucht es ein angemessenes Festgehalt für eine “positionsgerechte Lebensführung”.

Was die variablen Parameter betrifft, sollten diese insgesamt einen großen Anteil und Anreiz haben und klar nachvollziehbar sein. Zunächst stehen die klassischen Finanzkennzahlen (wie u.a. EBIT / EBITDA) im Vordergrund. Zusätzlich sollten weitere Parameter wie Mitarbeiterbindung, Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen, Mitarbeiterentwicklung oder der Fortschritt bei der Digitalisierung berücksichtigt werden. Je nach Branche können auch Kennzahlen wie der Net Promoter Score (NPS) relevant sein. Es ist wichtig, dass Zielvereinbarungen mehrdimensional sind und relevante Zwischenziele berücksichtigen.

Was die übliche Befristung von Geschäftsführerverträgen betrifft, bin ich klar dafür. Als Geschäftsführer ist man auch Unternehmer, wenn auch in anderer Form. Man hat kein unbefristetes Recht auf die Funktion, insbesondere wenn man keine eigene Einlage leistet. Märkte und Menschen entwickeln sich unvorhersehbar. Daher braucht der Gesellschafter die Freiheit, reagieren zu können. Das gilt bezogen auf Geschäftsführer auch personell.