„Fachkräftemangel ist auch durch starre Verhaltensweise von Unternehmen verursacht“

Heidi Hofer

Thomas Wilm im Gespräch mit Heidi Hofer, Beraterin für HR Transformation

Frau Hofer, wohin steuert HR in den kommenden Jahren?

In vielen Unternehmen ist HR nicht zukunftsgerecht für die Dynamik der Recruiting- und Arbeitswelt aufgestellt. Es ist wichtig, Prozesse, Tools und Kompetenzen zu analysieren und sich in HR zukunftsfähig aufzustellen. HR sichert die Zukunft des Unternehmens durch die richtigen Talente und ein attraktives Arbeitgeberimage, daher ist eine Investition in HR sehr bedeutend.

Weshalb sollen Unternehmen mehr Geld in die Personalentwicklung stecken?

Viele Unternehmen befinden sich derzeit in einem Transformationsprozess und haben oft nicht die richtigen HR-Partner. Für diese Transformation braucht HR viel Change-Know-how und auch ein gutes Standing. Nur so können Management, Führungskräfte und Mitarbeitende erfolgreich durch Veränderungen geführt werden. Transformation ist ein People-Thema. Schafft es HR, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entwickeln, eine gute Kommunikation zu gestalten und sie zu motivieren, diese Veränderungen mitzumachen? HR hat teilweise weder die Kapazitäten noch das Know-how, Transformationen professionell zu begleiten.

Welche Chancen hat denn HR, um aus dieser Sackgasse herauszukommen?

Recruitingstrategien müssen geändert werden, man muss viel flexibler werden. Entscheidend ist, wie sich in Zeiten des Fachkräftemangels die richtigen Talente gewinnen lassen. Bisher sehe ich nur bei wenigen Unternehmen Initiativen, wie man diese Herausforderung gezielt angeht.

Wie machen die Unternehmen das? Können Sie hier Beispiele nennen?

Talente können remote eingestellt werden oder offene Stellen werden durch Freelancer besetzt. Wichtig ist auch die Employee Experience. Was können die Unternehmen den Talenten bieten? Mit schlechten Führungskräften und einer toxischen Firmenkultur kann man heute keine Talente mehr halten. Ein Teil des Fachkräftemangels ist auch durch starre Verhaltensweisen von Unternehmen verursacht, die Flexibilität hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeiten und Vertragsgestaltung vermissen lassen.

Welche Kompetenzen werden in den kommenden Jahren für Fachkräfte und Führungskräfte wichtiger werden?

Veränderung ist das Schlagwort schlechthin. Das bedeutet, sich selbst und andere durch Veränderungen zu führen. Emotionale Intelligenz wird auch in Zeiten von KI eine stärkere Bedeutung erhalten.  Führungskräfte müssen empathisch führen, transparent kommunizieren, Gemeinschaftssinn entwickeln und ein Zugehörigkeitsgefühl auch in Zeiten von hybrid work schaffen.

Außerdem ist Resilienz ein sehr wichtiges Thema. Die Arbeit wird immer mehr. Der emotionale Stress bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nimmt zu. Jeder muss für sich lernen, wie man mit dem Workload umgehen kann. Wie lässt sich Stress managen? Wie kann man auch mal „Nein“ sagen? Das gilt vor allem für auch für Führungskräfte – beispielsweise zu sagen „das Projekt machen wir jetzt erst einmal nicht“. Die Unternehmen sind gefragt, ein gesundes Umfeld zu schaffen, in dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch immer wieder Erfolgserlebnisse haben und nicht ständig überlastet sind.

Wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie die besten Talente auf sich aufmerksam machen und langfristig binden können?

Wie tritt ein Unternehmen auf dem Markt auf? Müssen sich die Kandidaten immer wieder beweisen, müssen sie viel Zeit in den Bewerbungsprozess investieren? Ineffiziente Prozesse sind für alle Beteiligten eine Zumutung und werden von den Bewerbern vermehrt auf LinkedIn gepostet. Das ist nicht förderlich für den Ruf des Unternehmens.

Der Recruitingprozess muss durchleuchtet werden, er muss so effizient wie möglich gestaltet werden. Den Bewerbern sollte es einfach gemacht werden. Etwa so: „Schick uns dein LinkedIn Profil wir brauchen keinen ausführlichen Lebenslauf“. Rückmeldungen zum Prozess sollten regelmäßig von Bewerbern eingeholt werden.

Recuiter müssen den Bewerbern auf Augenhöhe begegnen. Ich glaube, dass einige Recruitingabteilungen zu wenig kreativ und strategisch unterwegs sind.

Bei der Bindung der Mitarbeiter spielt es eine Rolle, dass deren Ansprüche steigen – was ich sehr gut finde. Es zwingt die Unternehmen moderner zu werden und ein attraktives Arbeitsumfeld aufzubauen. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen ein gelungenes Onboarding, eine starke Führungskraft und eine gute Stimmung im Team. Sie wollen effizient arbeiten und sich einbringen können. Es ist die Aufgabe von HR und den Führungskräften, das auch zu bieten.

Nun geht es auch um diverse und inklusive Arbeitsplätze. Wie sollen Unternehmen hier vorgehen?

Die Generation Z will sehr faire Arbeitsbedingungen und Diversity. Unternehmen, die sich hier nicht zukunftsfähig aufstellen, werden nicht wettbewerbsfähig sein. Für sie ist es wichtig, sich so authentisch wie möglich darzustellen. Marketinggags durchschauen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr schnell. In solchen Fällen verliert ein Unternehmen sofort an Glaubwürdigkeit.

Daher benötigen Unternehmen eine Diversity-Strategie, die vom C-Level gefördert wird. Und da geht es schon los. Wenn dort nur Männer sitzen, wie glaubhaft ist dann Diversity? Viele Unternehmen schaffen es daher nicht, das Thema von innen heraus voranzutreiben. Es fehlt auch an Erfahrung.

Wie können Unternehmen denn dieses Problem lösen?

Dazu benötigen sie externe Beratung, die die ganzen Strukturen sichtbar macht und Empfehlungen gibt, was für das Unternehmen Sinn macht. Welche Schwerpunkte sind zu setzen, wie können sich Teams einbringen, wie kommunizieren Unternehmen zu diesem Thema? Da kann es um die Frauenquote gehen, Communities zum Austausch etwa für Mütter, für Väter, für queere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – am besten moderiert, um zu verstehen, welcher Art die Herausforderungen sind.

Eine neue Entwicklung ist der Einsatz von KI in verschiedenen Geschäftsbereichen. Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darauf vorbereiten?

Zunächst bedarf es einer Grundsatzentscheidung, ob es im Unternehmen erlaubt ist, mit KI zu arbeiten. Anschließend sind Regeln und Handlungsempfehlungen aufzustellen. Etwa für diese Fragen: Wie darf ich KI nutzen? Welche vertraulichen Unternehmensdaten darf ich dort nicht eingeben? Darf ich eine Präsentation mit Hilfe von KI erstellen?

Die Unternehmen gehen davon aus, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter KI selbst lernen und eine Vorstellung davon haben, wie man sie einsetzt. Dem ist nicht so. Die einzelnen Abteilungen müssen trainiert werden, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sinnvoll und mit welchem Ziel KI nutzen können.

Bisher stellen sich zu diesem Thema nur wenige Unternehmen strategisch auf. Derzeit darf hier noch experimentiert werden.